Das Grundproblem der Tagung war die Beziehung von Mensch und Raum. Wenn man von der Prämisse ausgeht, dass die Frage des Menschen und des Raums prinzipiell offen ist, dann lassen sich kulturelle und geschichtliche Darstellungsformen dieser Beziehung untersuchen. Akte der Bewegung, aber auch des Bauens oder Planens (von Sporthallen, Stadien etc.) erscheinen in diesem Rahmen als bestimmte Realisationen der Beziehung von Mensch und Raum. Die Spezifik dieser Realisationen zu identifizieren war das Anliegen der disziplinübergreifend angelegten Tagung.
Die Vorträge von Robin Kähler, Silke Steets, Justus Kalthoff und Stefan Tetzlaff sowie Thomas Dworschak thematisierten das Grundproblem ausgehend von der Seite des Raums. Dass sich in der Architektur der Sporthallen in Deutschland seit den 1920ern nichts verändert hat, war die Ausgangsdiagnose des Einführungsvortrages von Kähler. Die scheinbar selbstverständlich gewordene Formel „rechteckig + funktional = gut“ stehe mit dem grundgesetzlich verankerten Anspruch des Schutzes der Menschenwürde in Spannung. Wie man sich dem schwierigen Verhältnis von demokratisch zu organisierender Gleichheit der Rechte und individueller Freiheit architektonisch annehmen kann, würden erste Beispiele in Dänemark zeigen. Im Abendvortrag von Steets wurde die Frage gestellt, wie die räumliche Ordnung des Fußballstadions die rituellen Gesten des Jubelns und Feierns beeinflusst. Nachdem soziologisch begründet wurde, dass diese rituellen Gesten ein zentrales Element des Fußballspiels sind, wurde in einem historischen Vergleich gezeigt, wie die bauliche Struktur an der Produktion dieser spielerischen Wirklichkeit beteiligt ist. Seit den 1990ern, so Steets These, verbindet sich das antike Prinzip des ausgelassenen Feierns mit dem modernen Prinzip der Disziplinierung, was sich insbesondere an der Allgegenwart von Kameras und Videowürfeln ablesen lässt. Kalthoff und Tetzlaff gingen ebenso davon aus, dass Bewegungsräume – hier: der schulische Sportunterricht – als Spielräume zu begreifen sind. Neue Möglichkeiten der pädagogischen Planung und Reflexion würden sich ergeben, wenn man Spiele mit Foucaults Konzept der Heterotopie deutet. Der Sportunterricht wäre dann ein Ort, an dem die spielerische Verbindung von Faktischem und Möglichem dem Kommentieren und Außerkraftsetzen von Normalitäten dient. Die Beziehung von musikalischem Raum und leiblicher Haltung war Inhalt des Abschlussvortrages von Dworschak. Es wurde begründet, dass wir im Medium des sinnhaften Nachvollzugs auf den musikalischen Raum, der vom physikalischen Raum zu unterscheiden ist, Bezug nehmen können. Diese Bezugnahme wurde als Deutungsprozess bestimmt, der möglich, aber prinzipiell nicht abschließbar ist.
Die Vorträge von Kai Reinhart, Martina Petrini und Elk Franke behandelten das Problem der Beziehung von Mensch und Raum ausgehend von der Seite des Menschen. Die von Reinhart durchgeführte Analyse des Skateboardfahrens in der sozialistischen Stadt arbeitete die Grenzen staatlicher Steuerung, die wesentlich auf das Gefügigmachen von Körpern zielte, heraus. Demnach ist die Praxis des Skateboardfahrens als eine Form der Relationierung von Mensch und Raum zu verstehen, in der sich ein anderer, freierer Umgang mit sich selbst und seiner Umwelt ausdrückt, der sich den staatlichen Institutionalisierungsversuchen letztlich entzog. Die »running spaces« wurden von Petrini aus einer anthropologischen und phänomenologischen Perspektive betrachtet. Laufen wurde als eine wesentliche menschliche Tätigkeit bestimmt, durch die sich der Mensch seine räumliche Umgebung erschließt. Anhand von drei Trends, dem »offroad running«, dem »barefoot running« und dem »extended distance running«, wurde dargestellt, wie sich diese unterschiedlichen Laufformen primär durch unterschiedliche Raumbezüge konstituieren. In dem gemeinsam mit Reinhard Jansson erarbeiteten Vortrag ging Franke der Frage nach, wie der zunehmende Einfluss künstlicher Intelligenz im Fußball zu erklären und zu bewerten ist. Voraussetzung sei die Entwicklung des Fußballs weg von einem »Spiel um den Ball« hin zu einem »Spiel um den Raum«. Dieser Raum werde im Medium der künstlichen Intelligenz modelliert, und zwar auf der Grundlage einer euklidischen Raumvorstellung. Zum Problem werde eine solche Raumkonzeption, wenn sie – im Kontext des Trainings, aber auch der Forschung – mit der Weise verwechselt wird, wie sich der reale Mensch im realen Raum bewegt.
Neben den Vorträgen bot ein von Ansgar Molzberger geführter Rundgang einen Einblick in die Anfänge und Gegenwart der architektonischen Gestaltung des Stadionparks Müngersdorf. Es wurde deutlich, dass dieser Stadionpark seit seiner Eröffnung im Jahr 1923 ein zentrales Element städtischer Bewegungsförderung ist. Zudem thematisierte der Rundgang den Campus der Deutschen Sporthochschule Köln, der als menschlicher Körper angelegt wurde.
Quelle: Tobias Arenz, DSHS
Dieser Text ist eine gekürzte Fassung des ausführlichen Tagungsberichts, der in Heft 1/2018 der Zeitschrift Sport und Gesellschaft erscheinen wird.