Die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft e. V. (dvs) und die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie in Deutschland e. V. (asp) haben den Beschluss des G-BA vom 20.09.2023, die Sporttherapie in die Regelversorgung bei leichten und mittelschweren Depression aufzunehmen, sehr begrüßt.
Dieser Beschluss wurde der umfangreichen Evidenz zur Wirksamkeit der Sporttherapie bei Depressionen gerecht und ist aus wissenschaftlicher und gesundheitspolitischer Sicht notwendig. Anlass für unsere Stellungnahme ist, dass der Innovationsausschuss die Empfehlung mit dem Änderungsbeschluss vom 22.03.2024 wieder aufgehoben hat.
Auch wenn das Projekt STEP.DE nicht die ursprünglich erwarteten Ergebnisse erzielte, so gibt es dennoch zahlreiche andere randomisierte kontrollierte Studien, die die Effektivität und Effizienz von Sport und sporttherapeutischen Interventionen bei Personen mit leichter bis mittelschwerer Depression belegen und aufzeigen, dass regelmäßige, zielorientierte Bewegung ebenso wirksam ist, wie Medikamente und Psychotherapie.
Da mittlerweile bei mehr als 10.000 Patient*innen eine anti-depressiver Effekt von Sport nachgewiesen ist, liegen somit überzeugende Befunde vor, die eine wissenschaftliche Evidenz belegen und im Sinne der bestmöglichen Patient*innenversorgung berücksichtigt werden sollten. Zudem zeigte sich durch die 40% günstigere Behandlung im Vergleich zur Psychotherapie eine hohe Kosteneffizienz, auch im Projekt STEP.DE.
Zusätzlich sind folgende Argumente dringend zu beachten:
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit führt zu besseren Therapieergebnissen: Die Kombination von sporttherapeutischen und psychotherapeutischen Ansätzen kann zu umfassenderen und nachhaltigeren Behandlungsergebnissen führen.
- Fachkräftemangel bei steigender Prävalenz sollte Anlasse genug sein, sporttherapeutische Maßnahmen zur Regelversorgung zu machen: Angesichts des Mangels an Fachkräften im Gesundheitswesen und der zunehmenden Prävalenz von Depression ist es unerlässlich, kosteneffiziente und wirksame Behandlungsoptionen wie die Sport- und Bewegungstherapie in die Regelversorgung aufzunehmen.
- Kompetenzen der sportwissenschaftlichen und sportpsychologischen Betreuung: Die spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten von Sportwissenschaftler*innen und Sportpsycholog*innen tragen wesentlich zur Qualität und Wirksamkeit der Behandlung bei.
- Patient*innen den Raum für individualisierte und bedürfnisorientierte Interventionen gehen: Personalisierte Therapieansätze, die auf die individuellen Bedürfnisse der Patient*innen eingehen, erhöhen die Compliance und die langfristige Wirksamkeit der Behandlung.
- Patient*innenzufriedenheit und Lebensqualität: Studien zeigen, dass Patient*innen, die an Sporttherapie teilnehmen, oft eine höhere Zufriedenheit mit der Behandlung und eine verbesserte Lebensqualität berichten, da sie aktiv ihrer Genesung mitwirken können.
- Niedrigschwelliger Zugang: Die Implementierung von Sporttherapie ist mit relativ geringen Kosten und ohne großen Aufwand möglich. Dadurch kann sie insbesondere für Menschen mit Hemmungen gegenüber traditionellen psychotherapeutischen Ansätzen eine geeignete Behandlungsform darstellen. Dies schließt auch an das Konsensuspapier zum „Runden Tisch für Bewegung und Gesundheit“ des BMG an, in dem die Sicherung von bewegungsbezogenen Maßnahmen besonders für vulnerable Gruppen festgeschrieben wurde.
- Prävention und Langzeitwirkung: Sport und Bewegung haben präventive Wirkungen. Diese reduzieren nicht nur akute depressive Symptome, sondern verringern auch das Risiko von Rückfällen und chronischen Verläufen. Zudem hat Sport und Bewegung einen präventiven Effekt bzgl. zahlreicher weiterer Erkrankungen und kaum unerwünschte Nebenwirkungen.
- Reduzierung der Medikamentenabhängigkeit: Sporttherapie kann dazu beitragen, die Notwenigkeit für medikamentöse Behandlungen zu reduzieren oder deren Notwendigkeit für medikamentöse Behandlungen zu reduzieren oder deren Dosierung zu verringern. Dies ist insbesondere für Patient*innen von Bedeutung, die unter Nebenwirkungen von Antidepressiva leiden oder eine Medikamentenunverträglichkeit haben.
Wir bitten daher den G-BA, eine grundsätzliche Entscheidung für mehr bewegungsbezogene Versorgungsleistungen zu treffen und die wissenschaftliche Evidenz in der Versorgung von Patient*innen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen stärker zu berücksichtigen sowie entsprechende Versorgungsstrukturen bereitzustellen.