Er gehörte zur Gründungsgeneration der modernen Sportwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland: Der Sportpädagoge Prof. Dr. Hans-Jürgen Schaller ist im 84. Lebensjahr am 16. April in Hof (Saale) verstorben. Diese Nachricht ließ seine Familie jetzt mitteilen. Prof. Dr. Hans-Jürgen Schaller war im Oktober 1976 in München Gründungsmitglied der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft.
Sein Name wird oft im gleichen Atemzug wie der von Knut Dietrich (geb. 1936) und der von Gerhard Dürrwächter (geb. 1928) genannt – denn: Diese drei damals führenden Sportspieldidaktiker haben vor allem in den 1970er und 1980er Jahren mit ihrem kleinformatigen Bestseller-Lehrbuch „Die Großen Spiele“ die Diskussion um eine spielgemäße Vermittlung von Basketball, Handball, Fußball und Volleyball initiiert und lange mitbestimmt. Die Koordination dieser wegweisenden und in mehreren Auflagen erschienenen Publikation, die Generationen von Sportstudierenden in Deutschland begleitet hat, lag damals in den Händen von Hans-Jürgen Schaller, der den allgemeinen Teil zu der Frage „Wie lernt und lehrt man Große Spiele?“ sowie die Kapitel zum Basketball und Handball selbst verfasst hatte.
Schon seine 1973 an der Pädagogischen Hochschule (PH) Dortmund eingereichte Dissertation zum Dr. päd. trug den Titel: „Zur pädagogischen Theorie des Spiels: eine Untersuchung bildungstheoretischer Modelle des Spiels und der Möglichkeiten gegenwärtiger Spielerziehung“. Zur Spielerziehung legte Schaller, der selbst im Handball und später als Trainer auch im Basketball und in der Leichtathletik vielseitig aktiv war, weitere grundlegende Veröffentlichungen vor: „Hans-Jürgen Schaller war einer der profiliertesten Spielpädagogen seiner Zeit, der es immer verstand, auch den Anwendungsbezug zu seinen theoretischen Bezügen herzustellen. Ich habe ihn als einen äußerst angenehmen Menschen mit eher leisen Tönen sehr geschätzt“, würdigt der Paderborner Sportwissenschaftler Prof. Dr. Wolf-Dietrich Brettschneider den Kollegen Schaller. Beide waren u.a. über gemeinsames Skilaufen, die gemeinsame Herausgeberschaft der sog. PPP-Reihe (Puttys Pädagogische Paperbacks) und über zahlreiche Begegnungen bei den Internationalen Berliner Sportspielsymposien freundschaftlich verbunden, die damals in den Räumen der Führungsakademie Berlin des Deutschen Sportbundes, eine von den beiden Vorgängerorganisationen des Deutschen Olympischen Sportbundes, stattfanden.
Hans-Jürgen Schaller wurde am 1. Juni 1937 in Raasdorf in Sachsen geboren und studierte nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik in Köln, Wuppertal, Bochum und Dortmund u.a. Leibesübungen für das Lehramt. Nach einer vierjährigen Tätigkeit im Schuldienst als Grund- und Hauptschullehrer folgte eine mehrjährige Assistententätigkeit an der PH Wuppertal. Später wurde er als Dozent und Professor an die PH Schwäbisch Gmünd und an die Universität Essen berufen. Im Jahre 1977 erhielt er einen Ruf als ordentlicher Universitäts-Professor für Sportpädagogik an die Pädagogische Hochschule Rheinland, Abteilung Aachen.
Nach der Auflösung bzw. Integration der PHs in Nordrhein-Westfalen Anfang der 1980er Jahre wurde Schaller Direktor des Seminars für Leibeserziehung an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Nach der Schließung des Seminars in Aachen durch Einsparmaßnahmen der Landesregierung wurde er auf eine Professur an das Institut für Sportwissenschaft und Sport an der Rheinisch-Westfälische Universität Bonn versetzt, wo er als Direktor des Instituts und zeitweilig als Dekan der Pädagogischen Fakultät wirkte. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte hatte er seitdem u.a. auf den Sport mit älteren Menschen und auf das Exemplarische Lernen im Sport gelegt, zahlreiche Beiträge zu verschiedenen Sportarten betreffen diesen Schwerpunkt. Er war u.a. Mitherausgeber des „Handbuch Alterssport: Grundlagen – Analysen – Perspektiven“, eine der ersten Überblicksdarstellungen zum Sport mit älteren Menschen. Im Jahre 2002 wurde Hans-Jürgen Schaller emeritiert.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann